Mahnverfahren als Waffe: Der perfide Weg zur Insolvenz

Zustellung nicht möglich

Strategisch marginalisiert – Wie Justizakteure ein Einzelunternehmen in die Insolvenz trieben 

Das Schicksal eines Unternehmens in der Hand Dritter 

Zustellung nicht möglich

Mahnverfahren als Waffe: Der perfide Weg zur Insolvenz 

Stempel vom Amtsgericht Stuttgart

Manipulation mit Gerichtsstempel: Wie die deutsche Justizakte einen dokumentierten Rechtsbruch als rechtens beglaubigen 

Was will ein Darlehensgeber wirk­lich, wenn er die Rückzahlung sei­nes Darlehens for­dert, obwohl die Darlehenssumme bereits von der Darlehensnehmerin in ihr Unternehmen inves­tiert wur­de – und gleich­zei­tig der Darlehensnehmerin jede Verkaufstätigkeit unter­sagt, unter Androhung einer Mahnung, die zur Insolvenz der Einzelunternehmerin führt?

Geld zurück, sicher nicht.

Wie im Zuge der Ermittlungsakten zu lesen ist, die auf Grundlage der Anzeige der Unternehmerin wegen Geldwäscheverdachts gegen die Darlehensgeberin GmbH (Az. 212 Js 11553220) und wegen Nötigung durch den Geschäftsführer der GmbH (Az. 137 Js 116421) geführt wur­den, hat­te die­ser Geschäftsführer am 19. Januar 2021 gegen­über der Polizei geäu­ßert: „Ich möch­te noch sagen, dass ich mir einen Anwalt geholt habe, um die nicht gezahl­ten Raten zurück­zu­ho­len und zur Kündigung der Kredite.“ Entschieden hat sich der Geschäftsführer der Darlehensgeberin GmbH jedoch kurz danach für ein Mahnverfahren gegen die Darlehensnehmerin und für die Rückforderung der gesam­ten Kreditsumme.

Nach deut­schem Recht (§ 688 ff. ZPO) ist das Mahnverfahren ein ver­ein­fach­tes, schrift­li­ches Verfahren zur Durchsetzung unbe­strit­te­ner Geldforderungen. Es fin­det kei­ne münd­li­che Verhandlung statt, und der Schuldner erhält kei­ne Gelegenheit zur Anhörung oder zur Verteidigung vor Gericht. Im Gegensatz dazu bie­tet ein regu­lä­rer Zivilprozess dem Schuldner – dann Beklagten – umfas­sen­de Rechte: Er kann Einwendungen vor­brin­gen, Beweise ein­rei­chen, Gegenforderungen erhe­ben, Fragen stel­len, auf Aussagen reagie­ren und Rechtsmittel ein­le­gen. Gerade des­halb ist das Mahnverfahren nur dann zuläs­sig, wenn sicher­ge­stellt ist, dass der Schuldner den Mahnbescheid tat­säch­lich erhält (§ 688 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).

Wie sich aus dem Aktenauszug im Mahnverfahren (Az. 21–88880744‑0–0‑NEDV) jedoch ergibt, ver­folg­te der Antragsteller offen­kun­dig nicht das Ziel, den Mahnbescheid über 150.000 Euro der Darlehensnehmerin per­sön­lich zuzustellen.

Am 25. Februar 2021 wur­de dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers durch das Mahngericht Stuttgart mit­ge­teilt, dass der Mahnbescheid nicht zuge­stellt wer­den konn­te. Die Zustellungsurkunde der Deutschen Post AG bestä­tigt die Rücksendung auf­grund feh­len­der Zustellbarkeit.

Damit war spä­tes­tens zu die­sem Zeitpunkt bekannt, dass die im Mahnantrag genann­te Adresse nicht mehr aktu­ell war. Gemäß § 688 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist die Angabe einer zustell­fä­hi­gen Wohnadresse zwin­gen­de Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Mahnverfahrens.

Hätte der Anwalt die gebo­te­ne Prüfung vor­ge­nom­men, hät­te er fest­ge­stellt, dass die Antragsgegnerin sowohl ihre pri­va­te als auch ihre zuletzt genutz­te Geschäftsadresse in Stuttgart durch einen Nachsendeauftrag zur neu­en Berliner Anschrift wei­ter­ge­lei­tet hat­te. Diese Umleitungen waren spä­tes­tens seit Ende Februar 2021 aktiv und hät­ten eine erfolg­rei­che Zustellung des Mahnbescheides ermöglicht.

Stattdessen bean­trag­te der Anwalt am 24. März 2021 erneut die Zustellung des Mahnbescheides – dies­mal an eine ver­al­te­te Geschäftsadresse, die bereits seit Juni 2019 nicht mehr genutzt wur­de, was dem Antragsteller nach­weis­lich vor Vertragsabschluss bekannt war.

Eine der­art ver­al­te­te Geschäftsadresse kann von der Deutschen Post AG weder veri­fi­ziert noch durch Nachsendung erreicht werden.

Wird bewusst eine unzu­stell­ba­re Adresse ver­wen­det, obwohl eine zustell­fä­hi­ge bekannt ist, liegt ein Missbrauch des Mahnverfahrens vor. Und die­se geschieht nur, wenn Antragsteller und Justizakteure bestehen­de gesetz­li­che Grenzen gemein­sam ignorieren.

Dabei liegt dem Mahnverfahren die Absicht des Gesetzgebers zugrun­de, berech­tig­ten Antragstellenden ein beschleu­nig­tes Instrument zur Durchsetzung ihrer Forderungen an die Hand zu geben – und zugleich eine spür­ba­re Entlastung der Gerichte zu ermöglichen.

Warum also wird ein Mahnbescheid erlas­sen – aber absicht­lich nicht zugestellt? 

Mehr dazu im nächs­ten Artikel die­ser Serie.

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