Strategisch marginalisiert – Wie Justizakteure ein Einzelunternehmen in die Insolvenz trieben
Das Amtsgericht Stuttgart hat am 5. Mai 2021 durch die Rechtspflegerin B. den Berliner Rechtsanwalt als gesetzlichen Vertreter der Antragsgegnerin beglaubigt – obwohl es sich bei der Antragsgegnerin um eine Einzelunternehmerin und damit um eine natürliche Person handelt, die keinen gesetzlichen Vertreter im Sinne des § 51 ZPO haben kann.
Aus der Verfahrensakte mit dem Aktenzeichen 21–8880744‑0–0‑NEDV ergibt sich, dass der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin – einer GmbH – bereits am 14. April 2021 zum dritten Mal die Zustellung des Mahnbescheids beantragt hatte. Dabei wurde ein Rechtsanwalt als gesetzlicher Vertreter der Antragsgegnerin angegeben. Das elektronische System verweigerte daraufhin die Eintragung und gab eine Fehlermeldung aus: „Beim gesetzlichen Vertreter des Antragsgegners entspricht das Vertretungsverhältnis (Stellung des gesetzlichen Vertreters) nicht der beim Antragsgegner bezeichneten Rechtsform. Angegeben wurde: Vertretungsverhältnis: Rechtsanwalt.“

Das daraufhin erstellte Monierungsschreiben wurde unverändert zur Prüfung an Rechtspflegerin B. weitergeleitet. Darin wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das angegebene Vertretungsverhältnis nicht mit der Rechtsform der Antragsgegnerin vereinbar ist. Die manuelle Bearbeitung zeigt, dass das Gericht die Unregelmäßigkeiten erkannt hat. Trotzdem wurde das Verfahren fortgeführt und ein Mahnbescheid zugestellt – ohne die offensichtlichen Fehler zu bereinigen.
Was das elektronische Mahnverfahren aufgrund widersprüchlicher Angaben verweigerte, wurde durch die Rechtspflegerin manuell vollzogen.
Eine falsche Angabe des gesetzlichen Vertreters verstößt gegen § 253 ZPO, da die Parteien eindeutig benannt werden müssen. Die Zustellung an einen unzuständigen Vertreter birgt die Gefahr, dass die Antragsgegnerin nicht ordnungsgemäß über das Verfahren informiert wird. Dies beeinträchtigt ihre Verteidigungsrechte und ist aus rechtsstaatlicher Sicht bedenklich.
Wird die Zustellung an einen unrichtigen Vertreter vorgenommen, ist sie unwirksam und verletzt das rechtliche Gehör der Antragsgegnerin – ein Verstoß gegen das Gebot eines fairen Verfahrens gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.
Trotzdem – nach Zustellung an den „gesetzlichen Vertreter“ und dessen Widerspruch – wurde das Verfahren am 24. August 2021 durch Rechtspflegerin B. abweichend von den ursprünglichen Angaben des Prozessgerichts an das Amtsgericht Besigheim (7 C 473⁄21) übergeben.
Der Streitwert lag bei rund 149.000 Euro.
Nach deutschem Zivilprozessrecht (§ 23 Nr. 1 GVG) sind Amtsgerichte nur bis zu 5.000 Euro zuständig. Liegt der Streitwert – wie hier – deutlich darüber, ist das Landgericht zuständig (§ 71 Abs. 1 GVG).
Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Besigheim war nicht gegeben.
Wer Systemprüfungen bewusst umgeht oder trotz formaler Mängel weitermacht, verletzt möglicherweise Amtspflichten (§ 839 BGB) und macht sich unter Umständen auch strafbar (§ 344 StGB) – sagt der Gesetzgeber.
Doch Herr Selbmann, Regierungsdirektor der Koordinierungsstelle für das Mahnverfahren im Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg, sagte am 1. Oktober 2021 der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin:
„Rechtsfragen können mit Rücksicht auf die Unabhängigkeit der Gerichte weder im Wege der Dienstaufsicht noch durch eine Bundestagspetition entschieden werden. Wenn Sie die Angelegenheit beschleunigen wollen, wenden Sie sich also bitte an das Amtsgericht Besigheim. Abschließend weisen wir darauf hin, dass offenbar einige Missverständnisse zur Auslegung des Gesetzestextes der Zivilprozessordnung und zum prozessualen Ablauf von Mahnverfahren und anschließenden Streitverfahren vorliegen. Deshalb raten wir nochmals dazu, anwaltlichen Rat in Anspruch zu nehmen.“
Der Anwalt, der am 14. Mai 2021 den Mahnbescheid erhielt, reichte noch am selben Tag Widerspruch ein – ohne Vollmacht, ohne Mandat und ohne Anweisung, dies zu tun.
Die E‑Mail der Antragsgegnerin dokumentiert Zweifel an der Gültigkeit des Bescheids, insbesondere hinsichtlich der Adressierung und Zustellung. Der Bescheid wurde nicht vom Mahngericht, sondern vom Anwalt übermittelt, der ausschließlich für die Einsicht in Ermittlungsakten mandatiert war.
Und zurecht: Der Aktenauszug aus dem Mahnverfahren belegt, dass der Bescheid aufgrund fehlerhafter Zustellung und fehlender Parteifähigkeit nach § 51 ZPO und § 688 ZPO unzulässig war.
Die eigenmächtige Handlung des Anwalts erfolgte 30 Minuten nach Eingang der dokumentierten Entscheidung, die Gültigkeit des Bescheids innerhalb der gesetzlichen Frist zu überprüfen – und verletzt damit die rechtliche Prüfungspflicht sowie die Entscheidungsfreiheit der Antragsgegnerin.
Der Mahnbescheid konnte zunächst zweimal nicht zugestellt werden, da die Antragsgegnerin unter der angegebenen Anschrift nicht auffindbar war. Gemäß § 688 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist die Angabe einer zustellfähigen Adresse zwingende Voraussetzung für das Mahnverfahren.
Erst nachdem beide gerichtlichen Zustellversuche gescheitert waren, wurde der Bescheid nicht durch das Mahngericht, sondern informell durch den Anwalt übermittelt – außerhalb seines Mandats und ohne Zustellbefugnis im Mahnverfahren.
Die wiederholte Angabe einer unzustellbaren Adresse, obwohl bekannt war, dass die Antragsgegnerin umgezogen war und eine Nachsendeadresse existierte, sowie die Zustellung an einen angeblichen „gesetzlichen Vertreter“, den sie nicht hatte, zeigen:
Die Zustellung wurde strategisch so gesteuert, dass die tatsächliche Empfängerin keine Möglichkeit zur zeitnahen Reaktion hatte.
Diese fehlerhafte Adressierung ist gravierend, weil sie für das Gericht die Grundlage für die Zustellung bildet. Eine falsche Adresse kann die Wirksamkeit des gesamten Verfahrens infrage stellen und dazu führen, dass ein Mahnbescheid ohne tatsächliche Kenntnis der Betroffenen wirksam wird.
Das widerspricht unmittelbar dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs.
Es handelt sich nicht um einen formalen Verstoß, sondern um eine materielle Entrechtung mit existenziellen Folgen.
Trotz alledem erklärte das Amtsgericht Besigheim – wo der Rechtsstreit nach dem Widerspruch anhängig war – die Klage für zulässig, obwohl die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt hatte und die Zustellung selbst auf einer falschen Vertretung und unzustellbarer Adresse beruhte.
Eine Anfechtung der Wirksamkeit des Mahnbescheids oder eine Wiederaufnahme des Verfahrens wären rechtlich zu prüfen. Es empfiehlt sich dringend, spezialisierte anwaltliche Unterstützung hinzuzuziehen, um die eigene Rechtsposition zu sichern und mögliche Schadensersatz- oder Regressansprüche zu prüfen.
Doch auch das Insolvenzgericht Charlottenburg erkannte den Mahnbescheid als Schulden an und eröffnete am 23. Dezember 2021 das Insolvenzverfahren über das Einzelunternehmen – das ein Jahr zuvor ein Darlehen in Höhe von 150 000 Euro bei der GmbH aufgenommen hatte, um Investitionen für den Unternehmensstart zu tätigen.
Und dann behauptet man, Gerichte seien unabhängig und gegen Rechtsextremismus aktiv – während die Justiz selbst durch strategische Zustellungsmanipulation marginalisiert wird. Eine Handlung, die nicht nur rechtswidrig, sondern strukturell rechtsextrem ist: Sie entzieht der Betroffenen das rechtliche Gehör, konstruiert Zustellfiktionen und hebelt die rechtsstaatliche Prüfungspflicht aus.
Die Personen, die diesen dokumentierten Rechtsbruch beglaubigt, weitergeleitet und vollzogen haben, sind weiterhin im Amt.
Sie begleiten täglich neue Verfahren, legitimieren neue Zustellungen und reproduzieren strukturelle Fehler – mit Stempel, Autorität und Systemschutz.
Über 4,6 Millionen Mahnverfahren jährlich – das sind 4,6 Millionen potenzielle Entscheidungen über Existenz, Schulden, Zustellung und Rechtsmittel.
Wenn die Systemprüfung versagt oder manuell übergangen wird, ist jede dieser Zahlen ein Risiko.
Diese Serie zeigt, dass nicht nur ein Einzelfall manipuliert wurde, sondern dass die Struktur selbst – vom Amtsgericht über das Justizministerium bis zum Insolvenzgericht – fähig und bereit ist, solche Manipulationen zu beglaubigen.
Und das in einem System, das täglich tausende neue Verfahren produziert.
Mahnsache 21–8880744 – Archivversion vom 27.09.2025
Diese archivierte PDF-Datei dokumentiert die Mahnsache 21–8880744, insbesondere die Systemverweigerung durch das NEDV-System und die spätere manuelle Legitimation durch das Amtsgericht.
Sie wurde am 27.09.2025 redaktionell komprimiert, geschwärzt und archiviert.
SHA-256-Fingerabdruck: 5B13379C42576A4E27EFA198264EC1F36E322858200950EE08AD8B9B62F312
Weitere Beweisstücke – insgesamt fünf – wurden aus technischen Gründen entfernt, sind jedoch in der Printausgabe dokumentiert und auf Anfrage bei der Redaktion verfügbar.
