Vorsorge oder Verhängnis?

Chronik eines Systemversagens – Zwischen Krankheit, Herkunft und Hilflosigkeit 

Vorsorge oder Verhängnis? 

Der ICD- und Motiv-Code – Zwischen Diagnosecode und Diskriminierung 

Symbolische Darstellung der strukturellen Selektion im deutschen Gesundheitssystem.

Die Ethik der Selektion – festgehalten, entlohnt, verschleiert 

Zwischen Juni 2022 und Mai 2024 geneh­mig­te eine deut­sche Krankenkasse fort­lau­fend die Finanzierung medi­zi­ni­scher Leistungen einer Berliner Ärztin, deren feh­ler­haf­te Behandlung einer Patientin süd­ost­eu­ro­päi­scher Herkunft zu ins­ge­samt 20 ärzt­li­chen Konsultationen, zahl­rei­chen Blutuntersuchungen sowie vier Notaufnahmen mit kar­dia­len, neu­ro­lo­gi­schen und endo­kri­nen Komplikationen führte.

Zuvor hat­te die­sel­be Krankenkasse die Kosten für die Radiojodtherapie im Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart – bei der das Schilddrüsengewebe der Patientin im Jahr 2011 medi­zi­nisch gezielt zer­stört wur­de – sowie alle bis zum 14. Juni 2022 ent­stan­de­nen Behandlungskosten durch ver­schie­de­ne Fachärzte und die medi­ka­men­tö­se Substitution voll­stän­dig übernommen.

Dass die­se Therapie erfolg­reich war, wur­de im Juni 2024 durch die fach­ärzt­li­che Beurteilung einer pri­va­ten Nuklearmedizinerin bestä­tigt: „Der Morbus Basedow ist aus­ge­brannt.“ hieß dar­in. Bei einer Patientin ohne Schilddrüse bedeu­tet dies: es befin­den sich kei­ne Schilddrüsenhormone im Körper – und daher ist eine Substitution mit dem Medikament L‑Thyroxin (125µg) erfor­der­lich, was auch in der Patientenakte doku­men­tiert ist.

Gleichzeitig zeig­te ein Laborbefund vom 14. Juni 2022 einen deut­lich erhöh­ten TSH-Wert von 6,255 mU/l, ein Hinweis, dass trotz der Medikation zu wenig Schilddrüsenhormone im Körper sind.

Am sel­ben Tag doku­men­tier­te die Berliner Ärztin B. in der Patientenakte jedoch die gesi­cher­te Diagnose E05.0G – Schilddrüsenüberfunktion mit dif­fu­ser Struma. Laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte steht die­se ICD-10-Diagnose für eine Hyperthyreose mit gleich­mä­ßi­ger Vergrößerung der Schilddrüse, bekannt als Morbus Basedow.

Eine feh­ler­haf­te Diagnose kann zu fata­ler Medikation füh­ren: etwa zur Gabe von Thyreostatika statt L‑Thyroxin. Die Folge wären schwer­wie­gen­de Komplikationen wie Bradykardie, Koma oder Herzversagen.

Die am 14. Juni 2022 initi­ier­te Therapie, die auf der Annahme einer ver­meint­li­chen Überfunktion basiert, kann zudem eine Reduktion der L‑Thyroxin-Dosis zur Folge haben. Dies könn­te wie­der­um zu einer hor­mo­nel­len Unterversorgung und im schlimms­ten Fall zu einem poten­zi­el­len Organversagen führen.

Und plötz­lich befin­det man sich in einem Teufelskreis, der aus einer Überfunktion resul­tiert: Häufige Facharzttermine, wie­der­hol­te Besuche in der Notaufnahme, Arbeitsausfälle, die eine Blockade der beruf­li­chen Entwicklung nach sich zie­hen, sowie die aus­blei­ben­den Zahlungen der Krankenversicherungsbeiträge. Für eine allein­er­zie­hen­de Unternehmerin im Alter von 52 Jahren gestal­tet sich die Fehlbehandlung zu einer wah­ren medi­zi­ni­schen Odyssee. Begleitet von der tief­grei­fen­den exis­ten­zi­el­len Frage, ob sie in der Lage sein wird, ihre Kinder ange­mes­sen zu ver­sor­gen und ihre Lebensgrundlage zu sichern, sieht sie sich einer gewal­ti­gen Herausforderung gegenüber.

Was geschieht aber, wenn man­gel­haf­te medi­zi­ni­sche Versorgung und aus­ge­blie­be­ne Kontrollen sei­tens der Krankenkasse zur Arbeitsunfähigkeit füh­ren – und die Patientin dadurch nicht mehr in der Lage ist, ihre Beiträge zu zah­len?
Bleibt die Verpflichtung zur Beitragszahlung bestehen, selbst wenn die Ursache für die Zahlungsunfähigkeit im Gesundheitssystem selbst liegt?

Laut einem Schreiben der Krankenkasse vom 24. Juli 2025: „Wird die­ser Rückstand nicht umge­hend aus­ge­gli­chen, ver­langt der Gesetzgeber, dass Ihr Anspruch auf Leistungen der gesetz­li­chen Krankenversicherung ab dem 01. August 2025 ruht.“

Wenn eine Krankenkasse trotz klar doku­men­tier­ter Warnsignale die ärzt­li­che Versorgung nicht über­prüft – und gleich­zei­tig Beitragsrückstände zum Entzug von Leistungen füh­ren,
wäh­rend gesund­heit­li­che und wirt­schaft­li­che Konsequenzen, die direkt aus dem System selbst resul­tie­ren, igno­riert wer­den – dann stellt sich eine grund­le­gen­de Frage: Was hat Vorsorge heu­te noch mit Sicherheit zu tun?

Die gesetz­li­che Krankenversicherung droht zum Paradoxon zu wer­den — zu einem System, das Menschen nicht schützt, son­dern sie in exis­ten­zi­el­le Notlagen oder im Extremfall zur Emigration zwingt.

Wie weit reicht das Mandat der Krankenkassen im Umgang mit ärzt­li­chen Versäumnissen?
Und trägt der Gesetzgeber nicht eben­falls Verantwortung, wenn struk­tu­rel­le Untätigkeit zur Gefährdung von Menschen führt – etwa in einem Fall, in dem eine Ärztin eine nach­weis­lich fal­sche Diagnose als gesi­chert ein­trägt, obwohl der Krankenkasse bekannt war, dass die Patientin kei­ne Schilddrüse mehr hatte?

Ist es wirk­lich Zufall, dass die betrof­fe­ne Patientin süd­eu­ro­päi­scher Herkunft ist?
Oder zeigt sich hier ein sys­te­mi­sches Muster aus Ignoranz, Bürokratie und feh­len­der Selbstkontrolle?

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The Injustice Chronicle
Equality Begins Where Injustice Is Made Visible 

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