Chronik eines Systemversagens – Zwischen Krankheit, Herkunft und Hilflosigkeit
Deutsche Kassenärzte verweigerten innerhalb von 14 Monaten – zwischen Januar 2023 und März 2024 – einer Patientin südosteuropäischer Abstammung die Verschreibung der Levothyroxin-Dosierung von 125 μg, mit der sie zuvor zehn Jahre lang stabil und gesund gelebt hatte.
Die Laborbefunde des Robert-Bosch-Krankenhauses (2012), des Privatlabor Tirana (2023) und des Privatlabor Berlin (2024) bestätigen: keine hormonproduzierende Schilddrüse vorhanden.
Ab Januar 2023, durchschnittlich alle 1,4 Monate, verschrieben vier verschiedene Kassenärzt*innen insgesamt zehn Packungen mit fünf unterschiedlichen Dosierungen – zwischen 112 μg und 50 μg –, darunter auch 100 μg, 88 μg, 75 μg sowie Prothyrid 100⁄10 μg, obwohl der TSH-Wert vom 11. Dezember 2022 – gemessen im Martin-Luther-Krankenhaus Berlin – bei Einnahme von 125 μg im Normbereich lag (2,29 mU/l).

Fachliteratur beschreibt solche Eingriffe – häufige Umstellungen kombiniert mit zu niedriger Dosierung – als potenziell lebensgefährlich. Die American Thyroid Association betont, dass eine konstante und individuell angepasste Hormonzufuhr bei fehlender Schilddrüse zwingend erforderlich ist. DocCheck bestätigt, dass abrupte Dosiswechsel zu schweren metabolischen Entgleisungen führen können.
Die Behandlung destabilisierte den Hormonhaushalt systematisch. Symptome wie körperliche Schwäche, anhaltende Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, depressive Verstimmungen, Herzrhythmusstörungen und lebensbedrohliche Komplikationen wie das Myxödemkoma wurden dokumentiert.
Die Bewertung von TSH-Werten ohne parallele Bestimmung von T3 und T4 besitzt bei fehlender Schilddrüse keine diagnostische Aussagekraft.
Im Januar 2023 senkte die Ärztin B. die Dosis auf 112 μg. Im Februar folgte eine Reduktion auf 88 μg – trotz normalem TSH-Wert und ohne Bestimmung von T4. Die Reduktion war medizinisch nicht begründbar.
Mit Beginn der Reduktion traten Störungen der Wasser- und Elektrolytregulation auf – insbesondere Hyponatriämie. Die Laborbefunde dokumentieren vier Notaufnahmen in zwei Berliner Kliniken, über 20 Überweisungen und eine deutliche Verschlechterung des Gesundheitszustands.
Der Endokrinologe, überwiesen von Ärztin B., erkannte im Ultraschall das Fehlen der Schilddrüse – und wollte dennoch 50 μg verschreiben. 2024 verweigerte er die Rückkehr zu 125 μg, obwohl die Blutwerte sich verschlechtert hatten und die Patientin darum bat.
Auch nach Wechsel der Hausärztin – Frau T. – wurde weiter reduziert – auf 75 μg. Begründung: ein vermeintlich „niedriger“ TSH-Wert. Zusätzlich wurden Cholesterinsenker verordnet, obwohl erhöhte Werte durch Unterfunktion erklärbar sind.
Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie dokumentiert in ihrer Übersicht „Hypothyreose und Cholesterin“ (2020), dass eine unzureichende Hormonzufuhr zu erhöhten Cholesterinwerten führt. Die höhere Dosis hatte zuvor zu normalen Werten geführt. Eine Ärztin im Krankenhaus empfahl sogar das Pausieren der Tabletten – und erneut den Besuch beim Endokrinologen.
Die Patientin wurde als „instabil“ oder „psychisch auffällig“ eingestuft – obwohl die Instabilität iatrogen war. In vier Notaufnahmen wurden Symptome wie Hyponatriämie, Panikattacken und vegetative Dysregulation dokumentiert – ohne als Folge der Unterversorgung erkannt zu werden.
Am 4. April 2023 dokumentierte die Schlosspark-Klinik den Verdacht auf Panikstörung (ICD-10: F41.0V). Ein zweiter Verdacht wurde am 4. Juni 2023 in derselben Klinik dokumentiert. Die Laborwerte vom 6. Juni 2023 zeigten Hyponatriämie, Panikattacken und beginnende Organbelastung.
Im März 2024 dokumentierte das Martin-Luther-Krankenhaus eine erneute Verschlechterung und eine nun gesicherte Panikstörung. Die Fachzeitschrift Endocrine Reviews beschreibt in ihrer Studie „Thyroid Hormones and Brain Function“ (2019), dass T4 und T3 das zentrale Nervensystem steuern und Botenstoffe wie Serotonin und Noradrenalin beeinflussen. Die dokumentierten Symptome sind demnach hormonell erklärbar.
Trotz eindeutiger Befunde wurde die Reduktion fortgesetzt – nicht korrigiert.
Durch das Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung wurden über zwanzig Laboruntersuchungen, vier Notaufnahmen und zahlreiche Fehlbehandlungen finanziert – ausgelöst durch die systematische Verringerung der Schilddrüsenhormonmedikation.
Zudem wurden rund 1000 Tabletten in medizinisch nicht gerechtfertigter Dosierung bewilligt und bezahlt – administrativ legitimiert, aber therapeutisch unbegründet. Weitere Facharztuntersuchungen – Herz, Leber, Endokrinologie, sogar OP-Vorbereitungen – wären ebenfalls finanziert worden, hätte man den Überweisungsempfehlungen gefolgt. Die Folge: neue Diagnosen, neue Medikamente, neue Krankheiten.
Das ist die Ethik der Kassenärzte.
Das ist die Ethik des deutschen Gesundheitssystems.
Was, außer medizinischer Selektion zur begnadeten Erschöpfung, könnte diese Eskalation erklären?
Was ist mit dem Begriff medizinische Selektion gemeint?
Medizinische Selektion bezeichnet die Praxis, Menschen nicht nach ihrem tatsächlichen medizinischen Bedarf zu behandeln, sondern nach ideologischen, rassistischen oder ökonomischen Kriterien zu beurteilen und zu sortieren.
Während der Zeit des Nationalsozialismus führte diese Logik zu systematischer Gewalt: Über 360.000 Menschen wurden zwangssterilisiert. Etwa 250.000 bis 300.000 Patient*innen mit psychischen Erkrankungen, Behinderungen oder sozialen Abweichungen wurden ermordet, weil sie als „lebensunwertes Leben“ eingestuft wurden. Im Rahmen der Aktion T4 und verwandter Programme wurden medizinisch begründete Tötungen durchgeführt. Menschenversuche mit tödlichem Ausgang fanden sowohl in Konzentrationslagern als auch in Kliniken statt.
Diese Vorgehensweise war nicht verborgen, sondern methodisch, bürokratisch und offen dokumentiert.
Die Prinzipien dieser Logik sind bekannt. Ihre Anwendung war tödlich. Ihre Dokumentation ist öffentlich.
Diese Logik hat Geschichte. Sie hat Opfer.Und sie hat Akten.
Die heutige Form medizinischer Auswahl, wie sie in den Akten der Patientin sichtbar wird, ist strukturell, oft unauffällig, aber basiert auf denselben Prinzipien der Verwertungslogik. Sie entscheidet nicht nach medizinischer Notwendigkeit, sondern nach ökonomischer Verwertbarkeit. Sie ist in der Lage zu töten – nicht durch direkte Gewalt, sondern durch systemische Unterversorgung.
Wer nicht in das wirtschaftliche Schema passt, erhält keine Unterstützung oder wird strukturell benachteiligt.
Endokrinologische Evidenz gegen Kassenpraxis – Schlussfassung
Im Juni 2024 beurteilte eine privatärztliche Fachkraft in Berlin die medizinische Notwendigkeit der L‑Thyroxin-Dosierung von 125 μg. Grundlage war eine vollständige Laboranalytik sowie eine endokrinologische Bewertung, die den Hormonstatus und die klinische Vorgeschichte berücksichtigte.
Die Fachkraft bestätigte, dass die Dosierung nicht nur angemessen, sondern physiologisch erforderlich war. Aus den Laborwerten ging hervor, dass der Morbus Basedow ausgebrannt war. Die Bewertung lautete: Solange die Schilddrüsenhormone T4 und T3 im Normbereich liegen, darf der TSH-Wert niedrig sein. Die in Albanien begonnene Medikation mit 125 μg L‑Thyroxin wurde als fachärztlich korrekt eingestuft und zur Fortsetzung empfohlen.
Diese Einschätzung, gestützt durch mehrere medizinische Berichte, widerspricht der zweijährigen Kassenpraxis vollständig. Die Entscheidungen der vier Kassenärzt*innen lassen sich nicht als fachlicher Irrtum erklären, sondern zeigen eine strukturelle Praxis, die medizinische Evidenz ignoriert und die Gesundheit der Patientin gefährdet.
Die Reduktion der Medikation war medizinisch unbegründet, systemisch ermöglicht und ethisch nicht neutral. Ohne die Intervention der privatärztlichen Fachkraft wäre die Patientin unter dem Vorwand der Versorgung in eine lebensbedrohliche Unterversorgung geführt worden. Die wiederholte Dosisreduktion war kein Einzelfehler, sondern Ausdruck eines selektiven Systems, das medizinische Notwendigkeit systematisch untergräbt.
Die dokumentierte Versorgungspraxis erinnert in ihrer Struktur an historische Ausschlussmechanismen, bei denen Arbeitsunfähigkeit zum Kriterium für medizinische Entwertung wurde – wie in den Programmen der Aktion T4. Die Ethik ist nicht verschwunden, sie operiert verdeckt.
Seit dem 24. Mai 1949 gilt das Grundgesetz. Doch es bleibt offen, ob die heutige Versorgungspraxis dem Sozialstaatsprinzip noch folgt – oder längst dagegen arbeitet. Währenddessen wird das deutsche Gesundheitssystem weiterhin als das sozialste der Welt bezeichnet.
*Die vollständigen Dokumente folgen in Kürze in der Rubrik Secrets. Sie sind nicht geschwärzt – weil Wahrheit sichtbar bleiben muss
